Übergewichtsdebatte in Dubai: Fettsucht auch in den Emiraten ein Problem
von Myriam AlexowitzSuperlativen gibt es in den VAE nicht nur beim Bau von Wolkenkratzern, sondern auch in der Bevölkerung. Übergewicht wird in Dubai und den anderen Emiraten immer mehr zum Problem.
Cheeseburger: Auch in Dubai verbreitet
Übergewicht und Adipositas (Fettsucht)- sind längst nicht mehr vorwiegend im Mutterland des Fast Foods USA ein Massenphänomen, sondern breiten sich auch zunehmend in den Golfstaaten aus. Laut WHO-Bericht sterben an Fettsucht und Herzkreislauf-Leiden weltweit inzwischen mehr Menschen als an Seuchen. Die Organisation warnt inzwischen vor Fettsucht als neuer Epidemie des 21. Jahrhunderts.
Angesichts dieser Aussichten fand letzte Woche am 13. Mai in Dubai ein Seminar mit Fachleuten aus dem Gesundheitswesen zum Thema übergewichtiger Kinder “Investing in Community Health - The Child Obesity“ statt. Laut den Gulfnews sind demnach 12% der emiratischen Kinder adipös und 20 % davon sind stark gefährdet. Viele der Jugendlichen im Alter zwischen 15 und 16 Jahren haben bereits Diabetis mellitus. In den Emiraten betragen die jährlichen Behandlungskosten für Diabetiker bereits 735 Millionen Dirham (etwa 148 Millionen Euro). Für das Jahr 2015 prognostiziert die WHO, dass bei dem gegenwärtigen Lebenswandel 78% der emiratischen Männer und 81% der Frauen stark übergewichtig/adipös sein werden. Eine düstere zu erwartende Aussicht.
Doch ab wann gilt man laut der Ärzte als adipös? Als krankhaft fettsüchtig bezeichnen Ärzte Personen die 45 kg über dem Idealgewicht liegen (Körpergröße in cm minus 100 minus 10 %) oder bei doppeltem Normalgewicht). Menschen mit zu viel Speckröllchen leben gefährlich. Britische Wissenschaftler fanden in einer Studie an 900.000 Menschen heraus, dass starkes Übergewicht die Lebenszeit um bis zu zehn Jahre verkürzt. Die häufigsten Begleit- und Folgeerkrankungen dabei sind: Gicht, Fettleber, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Arteriosklerose, Herzinfarkt, Schlaganfall, Gallensteine, Diabetes, orthopädische Schäden und Schlaf-Apnoe. Übergewichtige Kinder leiden häufiger unter Depressionen, Angst, Schlafstörungen und ADHS (Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitäts-Syndrom).
In den letzten Studien der WHO rangieren die VAE von den 193 WHO Mitgliedsstaaten mit der Anzahl der Übergewichtigen/Fettleibigen auf Platz 18 der Statistikliste. Die emiratische Regierung ist aufgeschreckt von solchen Zahlen. Der Abgeordnete Hassan Al Hashemi, spricht von einer wirtschaftlichen Bürde für Gesellschaft und Regierung, sowie deutlich zu erwartenden Einbußen hinsichtlich Arbeitskraft und Produktivität. Abgeordnete gründeten zusammen mit dem Unicef Gulf Area Office die Initative „The Fat Truth Campaign“, um gegen die sich ausbreitende Fettleibigkeit mit einem Aufklärungsprogramm vorzugehen. Prävention ist der Schlüssel um den gegenwärtigen Trend umzulenken. In dem Projekt werden Mütter über gesunde Ernährung unterrichtet, Kinder ermutigt mehr Sport zu treiben, Einkaufszentren bieten Möglichkeiten für Gesundheits-check-ups und auch das Fernsehen soll bei der Aktion mitmachen. Einige Schulen in Abu Dhabi organisieren sogar Wettrennen um die Idee eines gesünderen Lebensstils anzupreisen. Zusammen mit dem Erziehungsministerium wurde eine Studie ins Leben gerufen die 320 Schüler/innen über ihr Essverhalten untersuchen will. Sie sollen ein Tagebuch darüberführen. Das Ergebnis wird dann zur Gründung einer nationalen Anti-Fettleibigkeit Strategie herangezogen.
Mäßigung als Charaktereigenschaft stieß im Land des Ölbooms bisher auf taube Ohren. In Dubai isst man gern und viel. Vor allem seit der Wohlstand Einzug gehalten hat, haben sich auch die Ernährungsgewohnheiten und der Lebensstil der Einwohner verändert. Abdelrazzaq al-Madani, Leiter des Dubai Krankenhauses und Vorsitzender der Emiratischen Diabetis Gesellschaft sieht darin die Ursachen für die aufgekommen Zivilisationskrankheiten.
„Die Menschen verbringen seitdem ihre Arbeitszeit und Freizeit mit mehr sitzenden Tätigkeiten. Früher fand ein aktiveres Leben statt.“ Auch Peta Picton, Ernährungswissenschaftler in der Dubai Physiotherapie Klinik, sieht in diesem schnellen wirtschaftlichen Wachstum ein Teil des Problems: „Die Einheimischen sind von einer gesunden traditionellen Lebensweise zu einer westlichen Ernährung mit mehr Fett und Zuckergehalt übergegangen.“ Der Anteil von Fast Food wie Pizza, Pommes, Cheeseburger in der Nahrung wird mittlerweile auf 25 Prozent geschätzt. Und die Portionen werden immer größer - XXL-Essen für XXL-Kinder.
Mit dem Wachstum der Stadt ist auch die Möglichkeit zum Laufen geschrumpft. Aufgrund der großen Distanzen und der draußen herrschenden Hitze, bringt man seine Kinder nicht mehr zu Fuß zur Schule oder läuft kurz um die Ecke zum nächsten Supermarkt. Die körperliche und motorische Leistungsfähigkeit von Kindern und Jugendlichen hat stark nachgelassen. Fakt ist, das Menschen evolutionsbiologisch nicht fürs heutige Schlaraffenland konstruiert sind, sondern auf Anstrengung. Der Urmensch musste sich abmühen um seine Grundbedürfnisse zu befriedigen. Unsere Triebe und Instinkte, unser evolutionäres Programm, das sich in Millionen von Jahren entwickelt hat, verschwindet in ein paar Jahren Zivilisation nicht einfach. Wir sind nicht aufs Nichtstun programmiert, sondern auf Anstrengung, auf Kampf, Gefahr und Einsatz unserer Potenziale.
Was kann getan werden um die wachsende epidemische Fettleibigkeit in den Griff zu bekommen? Der Dubaier Kinderarzt Dr. Rajendra Joshi, erklärt, dass das Risiko der Fettleibigkeit schon während der Schwangerschaft beginnt, deshalb sollten werdende Mütter als Prävention nicht zu viel an Gewicht zulegen. Kinder die nach der Geburt alle 2-3 Stunden planmäßig gefüttert werden, entwickeln mehr Fettzellen und neigen später zu mehr Übergewicht. Besonders gefährdet sind Kinder von übergewichtigen Eltern, da hier häufig eine genetische Disposition vorliegt.
Warum lassen es Eltern überhaupt so weit zum Übergewicht ihrer Kinder kommen? Dafür gibt es verschiedene Gründe: Häufig verharmlosen sie zu lange das gewichtige Problem, oder sie schaffen es nicht, dem Nachwuchs Grenzen zu setzen, oder weil sie selbst ständig zwischen Diät und Fressattacke pendeln. Vielen ist auch einfach nicht bewusst, wie wichtig Sport und eine gesunde, ausgewogene Ernährung ist.
Abzunehmen ist für dicke Kinder ohne Hilfe von außen kaum zu schaffen.
Bei der Auswahl der Therapie sollte man darauf achten, dass sie auf den drei Grundpfeilern: Ernährungsumstellung, Bewegungstherapie und Verhaltenstraining basiert. Die Eltern müssen einbezogen und mit geschult werden. Die Hilfe muss langfristig angelegt sein. Der gesamte Lebensstil muss sich ändern. Das kann Monate oder gar Jahre dauern.
Viele Übergewichtige wollen so lange nicht abwarten. Sie ziehen es vor, das Problem schnell mittels Medikamenten zum Abnehmen wie Appetitzüglern, Fettblockern und Quellstoffen zu lösen. Bei einer Studie der emiratischen Universität in Al Ain gaben 1000 Schüler zwischen 13 -19 Jahren zu, Medikamente zum Abnehmen zu kaufen. Wenn das nicht hilft, legen sich viele Übergewichtige unters Messer. Eine von vier angebotenen beliebten Operationen ist heutzutage die lapraskopische Magenverengung mittels der Implantation eines Silikonmagenbands. Hierbei wird ein Silikonband im oberen Drittel des Magens platziert, das eine Magentasche von maximal 20 bis 30 ml Fassungsvermögen vom restlichen Magen abschnürt. Der Patient fühlt sich dann nach einer kleinen Essensmenge voll. Die Operation dauert etwa 1-2,5 Stunden. Dr. Faruq Badiuddin, ehemaliger Chirurg am Dubai Wellness Medical Centre und jetzt Inhaber einer eigenen Praxis, sagt, dass nach einem Krankenhaustag die Patienten wohl auf sind. Danach bekommen sie für die nächsten zwei Wochen Infusionen und werden dann langsam wieder an feste Nahrungsstoffe gewöhnt. Nach einem Monat können sie wieder reguläres Essen vertragen. Der durchschnittlich durch dieses operative Verfahren erreichbare Übergewichtsverlust beträgt 40 – 60 %. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch eine hohe Selbstdisziplin des Patienten. Er muss in der Lage sein, auf sein nun frühes Sättigungsgefühl zu hören und seine Nahrungsaufnahme frühzeitig zu unterbrechen. Er darf keine hochkalorischen Getränke und Süßigkeiten zu sich nehmen, da diese das Magenband ungehindert passieren können. Erfolg oder Misserfolg liegen damit in seiner Hand.
Bleibt zu hoffen, dass sich nicht nur in der Golfregion, sondern weltweit ein Bewusstseinswandel durchsetzt. Nach dem Weltgesundheitsbericht der WHO sind mindestens eine Milliarde der erwachsenen Bevölkerung übergewichtig.
Viele Tipps, wie man gesund abnehmen kann, erhält man auf der Abnehm-Seite. Das könnte sowohl für viele Emiratis als auch für den ein oder anderen Deutschen interessant sein.
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