Bildung in Dubai und den VAE: Heute und in vergangenen Zeiten
von Myriam AlexowitzDie Vereinigten Arabischen Emirate brauchen neue Schulen, um die steigende Zahl an Schülern in den nächsten Jahren bedienen zu können. Doch wie sieht das Bildungssystem in Dubai und den VAE eigentlich aus?
Schule in Abu Dhabi
Letzte Woche kündigte der Direktor Dr. Mugheer Al Khaili vom Abu Dhabi Education Council (ADEC) an, 30 öffentliche Schulen in den nächsten drei Jahren im Emirat bauen zu lassen. Die Entscheidung wurde aufgrund der zu erwartenden wachsenden Anzahl an Schülern getroffen. Für die Schuldesigns wurden 40 attraktive Vorschläge aus verschiedenen Ländern wie u.a. Australien, Mexiko, USA und Jordanien entgegengenommen. Die zehn besten werden dann vom Ausschusskommitee des ADEC aussondiert.
Doch wie sieht eigentlich das Bildungssystem in Dubai und den VAE aus, und wie hat es sich in den letzten Jahren entwickelt?
Von komfortablen, freundlichen Unterrichtsräumen konnte der Autor Mohammed Al-Fahin damals in Abu Dhabi nur träumen. In seinem Buch „From Rags to Riches: Story of Abu Dhabi“, beschreibt er die ärmlichen Verhältnisse und entbehrungsreichen Zeiten der Beduinengesellschaft vor dem gravierenden Wandel des Ölbooms: „Wir waren fünfzig Schüler und Schülerinnen, die in der Barasti-Hütte den Koran beim Mullah Darwisch lernten. Es gab kein fließendes Wasser, keinen Strom, keine Lehrmittel. Es vergingen wieder einige Jahre, bis der Herrscher Schulbücher aus Jordanien importierte und uns Schulmaterial zur Verfügung stellte.“
Früher wurden die Schüler noch von religiösen Männern, den “Al-Muttawas”, in deren Privathäusern unterrichtet. Die Bildung beschränkte sich aufs Lesen und Schreiben, Rechnen, arabische Kalligraphie sowie die religiöse Lehre des heiligen Korans. Auch die erste Schule Dubais die „Al-Ahmadiya School“, die heute das “Museum of Education” beherbergt, vermittelt einen lebendigen Eindruck aus der vergangenen Zeit. Die Schule wurde 1912 im heutigen Stadtteil Deira von einem Privatmann erbaut und vom damaligen Herrscher Sheikh Buti Bin Suhail Al Maktoum im gleichen Jahr eröffnet. Die Schule war bis 1962 sogar noch in Betrieb. Anfänglich hatten nur ausgewählte erwachsene Männer der Herrscherfamilie sowie die Oberhäupter angesehener Familien Zutritt. Erst später kamen auch Söhne reicher Kaufleute sowie Bürger hinzu. Für Mädchen und Frauen war in der Anfangszeit der Schulbesuch noch untersagt.
Der Unterricht fand auf Palmenblättermatten statt, auf denen die Schüler rund um ihren Lehrer saßen. Tische und Bänke kamen nachfolgend hinzu. Die „Al-Ahmadiya School“ gehörte zu den ersten halbformalen Schulen, d.h. sie bot neben Religionslehre und Islamischen Recht auch Fächer wie Geschichte, Mathematik, Literatur und Astronomie. Diese Einführung war einer der wichtigsten Entwicklungsstufen im Bildungswesen der Emirate. In den 20er Jahren erfolgte dann an den Küstenstädten der Bau weiterer solcher Schulen, die von Perlenhändlern (Al-Tawawisch) und den Scheichs gegründet und finanziert wurden.
Ab den frühen 50er Jahren kam es in den VAE dann zu wichtigen Entwicklungen in der formalen Bildung. Diese Art der Bildung beruht u.a. auf formalen Methoden und Lehrplänen, die alle unter der Kontrolle einer akademischen Behörde stehen. Arabische Lehrer aus Jordanien, Palästina, Kuwait, Qatar und Ägypten spielten zu diesem Zeitpunkt eine wichtige Rolle. Den Anfang dafür machte 1953 das Emirat Sharjah mit der Gründung der Al-Qasimiya School. Eine Delegation aus Kuwait überwachte den Lehrplan und stellte Bücher und Lehrer bereit. Im Zuge dieser Entwicklung wurden auch die ersten beiden Mädchenschulen im Jahr 1958 in Dubai gegründet.
Seit den 60er und 70er Jahren befindet sich das formale Bildungssystem in den Golfstaaten unter angloamerikanischen Einfluss. Die Engländer sorgten dafür, dass zusätzliche Fächer wie Englisch, Soziologie und Naturwissenschaften eingeführt wurden. Ab 1971 besteht für Sechs- bis Zwölfjährige in den Emiraten allgemeine Schulpflicht, die Alphabetisierungsrate liegt insgesamt bei 77.9 % (Frauen 81.7 %, Männer 76.1 %).
Mit dem steigenden Zustrom an ausländischen Fachkräften und Arbeitern realisierten die emiratischen Herrschaften, dass es notwendig war, auch in die Bildung der einheimischen Bevölkerung zu investieren. Um zukünftig nicht vollkommen abhängig von ausländischer Hilfe zu sein, wurden Bauprojekte für Schulen und Hochschulen initiiert, die bis heute andauern.
Für die Ausländer wurden vor allen Dingen Privatschulen gebaut, da die meisten öffentlichen Schulen für sie nicht infrage kommen. Nur etwa 30% der Emigranten besuchen reguläre Schulen. Zum einen sind viele Schulen nur Muslimen vorbehalten, zum anderen basiert der Lehrplan in öffentlichen Schulen auf der arabischen Sprache. Englisch wird nur als Fremdsprache unterrichtet. Die staatlichen Schulen sind ebenfalls immer nach Geschlechtern getrennt, die meisten Privatschulen sind hingegen gemischt. In den VAE gibt es sowohl internationale Privatschulen als auch verschiedene nationale Schulen. Angefangen von arabischen über amerikanischen und europäische bis hin zu asiatischen Lehrinstituten. Die Privatschulen sind oft recht teuer, manchmal werden die Kosten jedoch vom Arbeitgeber getragen.
Der Standard in den Privatschulen ist in der Regel hoch, mit modernen Lehrmitteln, komfortabler Ausstattung und kleinen Klassen. Die meisten von ihnen bieten einen Unterricht bereits vom Vorschulhort bis zu den Aufnahmeprüfungen für die Universität. Die Kinder werden so auf eine Reihe von Prüfungen vorbereitet. In den Golfstaaten können u.a. das britische „A-level“ oder das „International Baccalaureate“, absolviert werden.
Trotz der scheinbar liberalen Bildungsatmosphäre gibt es im Lande jedoch weiterhin eine Zensur, die innerhalb des Bildungsbereichs keine gesellschaftskritische, religiöse oder politische Meinungsbildung aufkommen lässt. In Dubai hat das Unterrichtsministerium alle Privatschulen aufgefordert, sämtliche Lehrbücher auf die Moralvorstellungen des islamischen Landes zu überprüfen. Bücher, die diesen Vorstellungen nicht entsprechen, müssen sofort aus dem Unterricht entfernt werden. Diesem fiel auch ein englisches Lehrbuch zum Opfer, das Zweifel an der Existenz Gottes beschrieben haben soll. Verboten sind auch Inhalte oder Symbole, die sich mit Ländern wie Israel oder Themen wie Alkohol, Rauschgift oder Homosexualität befassen. Schulen, die sich nicht daran halten, müssen mit Sanktionen rechnen. Al Nuaimi vom Bildungsministerium erklärt: “Die arabische und islamische Kultur und Tradition sind wie ein roter Faden, der von jeder Privatschule zu 100 Prozent eingehalten werden muss. Die Vereinigten Arabischen Emirate sind ein arabisches und muslimisches Land mit einer einzigartigen Kultur und Traditionen, die nicht durchbrochen werden dürfen, weil sie grundlegende Bestandteile des arabischen Charakters sind.”
Von Oktober 2008 bis Mitte April 2009 fanden in Dubai Schulinspektionen statt. 843 Prüfer der Knowledge and Human Resource Development Authority (KHDA) besuchten 189 öffentliche und private Schulen. Der umfangreichen Report der Qualitätsergebnisse ist auf der Website: www.khda.gov.ae nachzulesen. Bewertet wurden die Schulen in den Kategorien: hervorragend, gut, akzeptabel/ befriedigend und mangelhaft. Von 109 Privatschulen erhielten vier Schulen das Testurteil hervorragend, 34 gut, 54 akzeptabel und 17 mangelhaft, wobei teuer aber auch nicht gleichbedeutend mit qualitativ hochwertig sein muss. Zu den gerade mal akzeptablen Schulen gehört zum Beispiel die International Baccalaureate (IB) Curriculum School in Al Barsha mit immerhin Gebühren zwischen 53.000 bis 92.000 Dh (ca. 10. 540 – 18. 296 Euro) pro Jahr.
Laut Inspektionsbüro halten sich eine Mehrheit von privaten Schulen nicht an die vom Erziehungsministerium geforderten abzuhaltenden Lehrstunden in arabischer Sprache und Islamstudien. Der schwächste Aspekt wäre ebenfalls in vielen Einrichtungen die Einbindung von wirtschaftlichen und Umweltthemen gewesen. Bei vielen der besuchten Privatschulen stimmte laut Prüfern nicht das Preis-Leistungs-Verhältnis - überteuerte Gebühren mit nur mittelmäßiger Unterrichtsqualität.
Bei den öffentlichen Einrichtungen erhielten 32 Schulen die Note gut, 43 akzeptabel und 5 das Urteil mangelhaft. Für Verbesserungswürdig befanden die Inspektoren in den öffentlichen Schulen neben Ausstattung und Räumlichkeiten u.a. die Förderung der Sprachpraxis in Englisch. Viele der öffentlichen Schulen könnten daher im internationalen Vergleich nicht mithalten. Diese Schulen mit vorwiegend arabischem Schüleranteil haben nur eine begrenzte Auswahl an Fächern. Bei den Schülern sind ihre körperlichen, kreativen und analytischen Fähigkeiten leider nicht ausreichend entwickelt.
Khalfan Abdullah Salman, Direktor der öffentlichen Dubai Al Watan Al Arabi Primary und High School, meinte, dass der Bericht der KHDA zu vorschnell angefertigt wurde und nicht der Realität entspräche. Zum Beispiel begründete sich die unbefriedigende Qualität einiger naturwissenschaftlicher Fächer aufgrund der Beiwohnung einer einzigen Unterrichtsstunde. Obwohl an der Schule drei Lehrer arbeiten. Wie kann man ein ganzes Schuljahr an einer einzigen Stunde festmachen und beurteilen?
Die Eltern der Schüler hingegen begrüßen den Bericht der KHDA, vor allem wegen der steigenden Schulgebühren. Jameela Al Muhairi, Vorsitzende DSIB (Dubai Schools Inspection Bureau), sagte das die Daten gesammelt würden, um die schwachen Bildungseinrichtungen zu reformieren.
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