Kamele im Wandel der Zeit - Kamelmilch und Kamelfleisch nicht nur in der arabischen Welt im Kommen
von Myriam AlexowitzDer Weg des Kamels vom unverzichtbaren überlebenssichernden Haustier und Begleiter der Beduinen auf die Speisekarte der Fastfoodketten und als exotisches Schmanckerl der Schokoladenindustrie.
In Dubai Zutat für Schokolade: Kamelmilch
Wenn wir an Kamele denken, fallen uns sicher sofort Bilder von langen Wüstenkarawanen ein mit vollbepackten und langsam im Sand dahin schreitenden anmutigen Tieren. Seit tausenden von Jahren spielt das Kamel eine äußerst wichtige Rolle in der arabischen Kultur. Kein Wunder, dass es in der arabischen Sprache allein 160 verschiedene Wörter für das Kamel gibt. Vorrangig wurden sie als Last- und Zugtiere verwendet, daneben aber auch als Woll-, Milch- und Fleischlieferanten. Zeitweise wurden sie auch für militärische Zwecke eingesetzt. Durch die Geschichte hinweg, hat sich das Kamel dem Menschen angepasst und dessen Bedürfnisse befriedigt.
Doch dass es selbst einmal als amerikanisierter „Camelburger“ auf australischen und saudi-arabischen Teller landet oder aus seiner Milch sogar feinste Schokolade und Pralinés gemacht werden, hätte es sicher nicht vermutet. Jetzt ist auch das arme Kamel „Opfer“ der modernen Zeit und der Globalisierung geworden.
In der saudiarabischen Hauptstadt Riad sind die „Hashi“ Baby Kamelburger inzwischen eine Delikatesse unter den Fastfoodliebhabern. Der Besitzer des lokalen Hashi Meals Restaurant Herrr Saleh Quwaisi meinte, die Leute mögen Kamelfleisch und schätzen vor allem seinen geringen Fettgehalt. Mit der Idee des Kamelburgers wollte er mal etwas neues Zeitgemäßes kreieren. Das Experiment gelang, die Konsumenten sind begeistert, da das Kamel zu ihrer Kultur und Tradition ausgezeichnet passt. Saleh Quwaisi will in Kürze eine zweite Filiale eröffnen und plant auch noch weiter zu expandieren.
Doch nicht nur Kamelburger sondern auch „Al Nassma“, die weltweit erste Kamelmilchschokolade, soll jetzt global gehen. Das Schokoladenprojekt wurde 2007 gegründet. Seit zwei Jahren arbeitet ein Team von internationalen Experten an diesem einzigartigen Vorhaben. Manager der Dubaier Kamelmilch-Schokoladenfabrik ist kein geringerer als Martin Van Almsick, ehemaliger Marketingchef des Kölner Imhoff-Schokoladen-Museums. Zusammen mit dem versierten Schokoladenhersteller und Konditor Johann Georg Hochleitner aus Österreich, der schon Erfahrungen in der Herstellung von Schokolade aus Ziegen- und Schafmilch sammelte, versucht er nun mit der neuen Sorte weltweit die Herzen der Naschkatzen zu gewinnen. Unterstützt und produziert wird das innovative Projekt vom Herrscher Dubais Scheich Mohammed bin Rashid Al Maktoum höchst persönlich. Ihm gehört auch die riesige Kamelfarm Camelicious in Umm Nahad. 3.000 Kamele sorgen für die notwendige Milchproduktion. Die Kamelmilch wird zunächst zu Milchpulver verarbeitet und dann nach Wien geliefert. Dort wird sie von der Firma Manner zu hochwertigen Schokoladen-Blöcken verarbeitet. Diese 20-Kilo-Blöcke werden dann zurück in die Emirate exportiert, wo aus ihnen in einer Fabrik mitten in der Wüste, die leckeren Spezialitäten hergestellt werden. Das Fabriksdach ziert ein goldenes Kamel. Im Jahr sollen rund 100 Tonnen feinste Premium Kamelmilchschokolade hergestellt werden.
„Al Nassam“ – bedeutet auf arabisch kühle, leichte Brise. Es gibt in der Golfregion einen Wüstenwind namens „el Nassma“, der bei großer Hitze endlich die herbeigesehnte Abkühlung bringt. Genau die gleiche Wirkung soll der Genuss der Kamelmilch-Schokolade auslösen.
Es gibt bereits eine Auswahl an fünf Tafelsorten mit Geschmacksrichtungen wie beispielsweise Kamelvollmilchschokolade, Kamelmilchschokolade mit arabischen Gewürzen, bittersüße Kamelmilchschokolade mit 70% Kakaoanteil und Kamelmilchschokolade mit Macademianüssen und Orangenschale. Auch die Pralinen sind nur mit den feinsten Zutaten wie mit Pistazien-, Nougat oder arabischer Kaffeecreme gefüllt. Das Highlight des Sortiments ist das golden eingewickelte Kamel, das die Ressource von „Al Nassma“ darstellt,- das Kamel mit seiner Milch. Alle Schokoladensorten sind frei von Farb-und Konservierungsstoffen sowie chemischen Zusätzen. Da Kamelmilch nur begrenzt verfügbar ist und für die Produktion nur echte Rohstoffe verarbeitet werden, kostet eine 70 Gramm Tafel umgerechnet rund fünf Euro. Bislang läuft der Verkauf von „Al Nassma“ über das Farmeigene angegliederte Geschäft sowie an diverse Luxushotels und private Fluggesellschaften. Bestellen kann man die Spezialitäten unter www.al-nassma.com. Geplant ist ebenfalls den Verkauf in den emiratischen Einkaufszentren voranzutreiben. Im Supermarkt soll der Schokoladen- Luxusartikel jedoch nicht zu kaufen sein. Außer in Arabien soll die Kamelmilchschokolade auch die Märkte in Europa, Japan und schließlich in den USA erobern.
Doch wie schmeckt eigentlich die Schokoladeninnovation? Die Aussagen der Konsumenten reichen von: „schmeckt wie gewöhnliche Kuhmilchschokolade“, „zu süß“ bis „intensiver eigenartiger Nachgeschmack“. Wie auch immer, das Geschmackserlebnis nun aussieht,- „Al Nassma“ ist auf jeden Fall eine hervorragende Alternative für Diabetiker und Kuhmilchallergiker. Kamelmilch enthält wenig Milchzucker und kein Betalactoglobulin, ein Protein, das eine große Rolle bei der Entstehung der Milchallergie spielt. Zudem ist Kamelmilch gehaltvoller als Kuhmilch. Sie enthält reichlich Vitamin B und C sowie Spurenelemente und hat zehnmal mehr Eisen. Außerdem hat sie weniger Fett und enthält antibakteriell wirkende Enzyme. In einer Gesamtbetrachtung erscheint die Kamelmilch der menschlichen Muttermilch sehr viel ähnlicher zu sein als die Kuhmilch.
Laut der UN-Ernährungsorganisation könnte aufgrund dieser reichhaltigen Inhaltsstoffe Kamelmilch auch für westliche Konsumenten das perfekte Nahrungsmittel bzw. Nahrungsergänzungsmittel werden. Weiter meinen Experten, dass die in der Kamelmilch enthaltenen Antikörper auch wirksam gegen Krebs, HIV/Aids, Alzheimer und Hepatitis C sein könnten.
Ein großes Problem gibt es allerdings in der Handhabung der Kamelmilch: Es besteht der Verdacht, dass die Milch bei jeder Wärmebehandlung (Pasteurisierung, Kurzzeiterhitzung, Hochtemperatur-Erhitzung oder Kochen) ihre therapeutische Wirkung mehr oder weniger verliert. Die auf die Kuhmilch angewendeten üblichen Verfahren lassen sich daher nicht einfach auf Kamelmilch übertragen. Aufgrund der langen Lieferwege und der notwendigen Kühlung wäre eine Erhitzung jedoch notwendig.Laut europäischen Lebensmittelrecht wird der Verkauf von Milch bisher nur erlaubt, wenn die Milch in der EU erzeugt und aus hygienischen Gründen erhitzt wurde.
Theoretisch gäbe es sogar auch innerhalb der EU die Möglichkeit an die rohe Kamelmilch heranzukommen. Wussten Sie schon dass es im Schwarzwald Kamele gibt? Seit 30 Jahren züchtet Bauer Wilhelm Breitling Kamele auf seinem Hof in Ebhausen-Rotfelden. Damals hatte er sein Herz an diese Tiere in Afrika verloren. Nach seiner Pensionierung fing er an den Kamelhof zu betreiben und immer weiter auszubauen. Inzwischen hat er über 80 ehemalige Wüstenbewohner auf seiner Weide stehen. Eigentlich wollte er die Kamelmilch auf dem deutschen Markt absetzen, doch da er die Milch aus oben besagten Gründen nicht erhitzen will, ist der Verkauf aus rechtlichen Gründen nicht möglich. In allen westlichen Ländern ist es seit Ende des zweiten Weltkriegs nur noch in Ausnahmefällen und nur bei Einhaltung strengster hygienischer Auflagen erlaubt, unbehandelte Rohmilch, als sogenannte „Vorzugsmilch“ in den Handel zu bringen. Fragt sich, ob die Pasteurisierung dieser Milch überhaupt die richtige Lösung ist und ob nicht Kamelmilch aufgrund ihrer antibakteriellen Eigenschaften eigentlich anders bewertet werden müsste.
Wer unbedingt Kamelmilch trinken möchte braucht nicht extra in die Emirate zu fahren. Er kann Sie auch aus den Niederlanden bestellen und zwar gemäß der gewünschten EU-Vorschriften. Nahe der Stadt ’s-Hertogenbosch (etwa 80 km südöstlich von Amsterdam) züchtet Frank Smits auf seinem Bauernhof seit 2006 Kamele bzw. Dromedare. Er ist europaweit bisher der einzige Landwirt, der die Genehmigung hat, Kamelmilch zum Trinken zu produzieren. Begonnen hat er 2006 mit drei Dromedaren von den kanarischen Inseln. Die weiteren Tiere besorgte er sich bei Züchtern und Zoos in Deutschland, Frankreich und Spanien. Da die Milchmengen nicht sehr ergiebig sind, muss er sie derzeit noch zu einem relativ hohen Preis verkaufen etwa 6 Euro pro Liter. Die Milchleistung eines Kamels ist sehr unterschiedlich und zwar von 3 bis 18 Liter pro Tag. Abnehmer sind vor allem Diabetiker und Menschen, die an Magen- und Darmproblemen und Kuhmilchallergie leiden. Verkauft wird die Milch direkt vom Hof und in Reformhäusern. Inzwischen gibt es auch Bestellungen aus Deutschland und Großbritannien. Import und Export seien innerhalb der EU erlaubt.
Ob Kamelmilch oder Kamelmilchschokolade sich bei uns durchsetzen wird, bleibt abzuwarten, es wäre jedoch eine nette, exquisite, aber nicht ganz preiswerte Alternative.
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