Junge oder Mädchen? In den VAE sind jetzt frühere Tests zur Geschlechtsbestimmung möglich
von Myriam AlexowitzZum ersten Mal ist nun für werdende Eltern in den Emiraten der „Pink or Blue“-Test erhältlich. Damit können Schwangere schon in der siebten Woche das Geschlecht ihres ungeborenen Kindes herausfinden. Vorgestellt wurde das neue Prüfverfahren im Januar auf der arabischen Gesundheitsmesse in Dubai vom Unternehmen Medsol Laboratories. Der Test, der mit Ausnahme in China und Indien, überall vertrieben wird, sorgt für kontroverse Ansichten unter Gesundheitsexperten und in der Bevölkerung.
Junge oder Mädchen?
Laut einer 2007 durchgeführten Gallup-Studie in den VAE wollten 50 Prozent der Eltern gerne bereits weit vor der Geburt das zu erwartende Geschlecht des Kindes wissen. Das ist laut Jihad Sa’adeh, General Manager of Business Development von Medsol Laboratories, nun möglich. Mit dem neuen hoch empfindlichen DNA-Testverfahren benötigt man nur einen Tropfen Blut einer in der siebten Woche schwangeren Frau. Medizinische Studien haben ergeben, dass sich ab diesem Zeitraum vermehrt fötale abgestorbene Zellen im Blutkreislauf der Mutter befinden. Mit der kleinen Blutprobe kann nun festgestellt werden, ob bestimmte Y-chromosomale DNA zu erkennen ist,- dann wäre es ein männlicher Fötus. Wenn es keine spezifischen Y-chromosomale DNA gibt, ist es zu 95 Prozent ein weiblicher Fötus. Beim Ultraschall hingegen läge die Genauigkeit vor der 12. Schwangerschaftswoche bei weniger als 85 Prozent. Erst bei 21 Wochen nach der Empfängnis kann man beim Ultraschall zu 98 Prozent das genaue Geschlecht des Kindes bestimmen.
Schwierig wird es bei der Ermittlung mit dem neuen DNA-Testergebnis, wenn die Mutter Mehrlinge in sich trägt und diese unterschiedlichen Geschlechts sind, da mit dem Test nur die An- oder Abwesenheit eines Y-Chromosoms ermittelt werden kann. Das bedeutet dass beispielsweise bei Zwillingen, es entweder zwei Jungen oder ein Junge und ein Mädchen sein können.
Der DNA-Test wird in Dubai, Sharjah, Abu Dhabi und Al Ain der Medsol Laboratorien zur Verfügung gestellt. Dr. Ameen Al Ameri, CEO for medical practice and licence, sagt, dass die VAE stets bemüht sind, ihren Bewohnern immer die fortschrittlichsten Technologien zu bieten. Das Testergebnis kann nach einer Woche eingesehen werden und kostet DH1.100 (ca. 222 Euro).
Bei vielen zukünftigen Eltern löst der neue Pink or Blue große Erwartungsfreude aus, bei anderen Eltern und Medizinern blankes Entsetzen. Viele befürchten einen Missbrauch durch dieses Verfahren. Wozu braucht man diesen Test, wenn es nicht um Selektion geht? Dient er nur zur Befriedigung der Neugier? Vor allem in asiatischen und aber auch einigen orientalischen Ländern werden Jungen gegenüber Mädchen bevorzugt. In Indien und China sind pränatale DNA-Tests zur Geschlechtsbestimmung verboten, da es dort durch die enorme Anzahl an Abtreibungen, bereits zu einem überdurchschnittlichen Männerüberschuss gekommen ist. Testkritiker befürchten, dass diese Vorabinformationen zur Durchführung von heimlichen Abtreibungen auch in den VAE genutzt werden könnte, weil Eltern das Geschlecht des Kindes nicht passt. Beispielsweise könnten Familien schwach werden, wenn sie schon drei oder vier Töchter haben und unbedingt nun einen Sohn wollen. Sejal Surti, Gynäkologin an der Al Rafa Poliklinik, denkt ebenfalls das die Vorabprüfung eine schlechte Idee ist und sich auf den gesamten Schwangerschaftsverlauf auswirken könnte, wenn Eltern nicht ihr favorisiertes Geschlecht vorfinden. Einige Männer, die Jungen wollen, könnten ihre Frauen dazu drängen, die Abtreibungspille zu nehmen oder in ein anderes Land zu reisen, um dort die Abtreibung vorzunehmen. Diese Möglichkeit darf nicht ignoriert werden.
Abtreibungen sind in den Vereinigten Arabischen Emiraten in der Regel illegal und strafbar. Der Antragsteller muss triftige Gründe nachweisen. Ausnahmen gelten nur, wenn das Leben bzw. die Gesundheit der Mutter gefährdet ist oder das Kind mit einem schwerem genetischen Defekt bzw. unheilbaren Krankheit zur Welt käme wie beispielsweise bei Sichelzellenanämie, Blutarmut oder Downsyndrom. Unerwünschte Kinder können zur Adoption frei gegeben werden.
Leider zeigen die bisherigen Erfahrungen, dass vieles, was bisher in der Welt einmal mit guter Absicht erfunden wurde, ebenfalls auch zum Schaden ausgenutzt wurde. Wenn etwas existiert, was die Selektion ermöglicht, dann wird das auch benutzt. Die Konsequenzen lassen sich nicht steuern.
Dr. Ameen Al Ameri, hingegen ist, was die neuen DNA-Test betrifft, optimistisch und sieht keine Missbrauchsgefahr, er meint:„ Ein Baby, ob ein Junge oder ein Mädchen, ist ein Geschenk Allahs. Wir haben kein Recht, dieses Geschenk abzulehnen”.
Medizinisch begründet werden kann der neue DNA-Test an für sich nur, wenn das Risiko besteht, dass eine geschlechtsgebundene Erbkrankheit an das Kind weitergeben wird. Auch die Argumente des Herstellers, die werdenden Eltern wollten früh die richtige Ausstattung für Sohn oder Tochter kaufen, sich über den Namen rechtzeitig einig werden, überzeugen nicht wirklich. Dafür bliebe immer noch genügend Zeit, wenn das Geschlecht des Kindes im Ultraschall erkennbar wird.
Argumente hin oder her,- das Ganze ist auf jeden Fall mal wieder ein einträgliches Geschäft für Hersteller und Ärzte.
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