Neues Transplantationsgesetz in den Vereinigten Arabischen Emiraten
von Myriam AlexowitzWeltweit herrscht ein erheblicher Mangel an Spenderorganen. In den VAE waren bisher nur Lebendspenden möglich. Doch seit Mitte Mai 2010 erlaubt die emiratische Regierung nun auch die Organentnahme von Verstorbenen zur Transplantation.
Tausende Patienten, die heute vielleicht noch leben könnten, versterben weltweit jährlich, weil nicht rechtzeitig ein Organ zu Verfügung steht. Einerseits fehlt es an der freiwilligen Spendenbereitschaft, anderseits ließen es bisher in einigen Ländern die Gesetze nicht zu. In den VAE gibt es seit 1993 ein Transplantationsgesetz, das jedoch bisher nur die Organspende von Lebenden erlaubte bzw. unter Verwandten ersten oder zweiten Grades, wie zum Beispiel unter Eltern, Geschwistern und Ehepartnern. In den VAE sind die Wartelisten zur Transplantation lang und die Verzweiflung in den Familien groß. Viele sahen sich deshalb gezwungen, im Ausland nach passenden Organen zu suchen. Besonders in Ägypten, Kolumbien, Indien, Pakistan und China floriert der Schwarzmarkt für illegale Spenderorgane.
Aus einem Bericht der Zeitung „China Daily“ geht hervor, dass 65 Prozent der chinesischen Organe von Hingerichteten aus dem Todestrakt stammen. Diese werden dann an reiche Ausländer aus asiatischen oder arabischen Ländern verkauft. Die Preise liegen pro Organ zwischen US $5,000 und US $15,000. Laut den Beratern vom “Welcare Hospital” in Dubai liegt die Anzahl der Transplantationstouristen zwischen 35 und 50 pro Jahr. Rund 50 Prozent davon sind illegal erworbene Organe. Viele dieser Patienten kommen bei ihrer Rückkehr aus dem Ausland zu ihnen. Sie leiden unter Infekten und Blutungen, die durch minderwertige Hygiene und schlecht durchgeführten Operationen verursacht wurden. Die gekauften Organe für die illegalen Nieren-und Lebertransplantationen bergen oft große Risiken in sich. Sie werden nicht eingehend kontrolliert. Viele der Organe sind mit Krankheitserregern infiziert. Laut Dr. Mustafa Ahmed Kazim, Consultant Nephrologist am Welcare Hospital, sterben etwa zehn Prozent der Patienten nach einer illegalen Transplantation. So wie eine ihrer Patientinnen, die bald nach ihrer Rückkehr an Tuberkulose verstarb.
Um den illegalen Organhandel entgegenzuwirken, stellte die WHO jetzt im Mai 2010 in Istanbul die Vereinbarung „On Organ Trafficking and Transplant Tourism“ auf, die 78 Länder unterzeichneten, darunter auch die VAE. In dem Schreiben befürwortete die WHO außerdem die legale Organspende von Toten.
In Folge dieses Abkommens wurde nun das ehemalige Transplantationsgesetz von Beamten aus dem Nationalen Ausschuss für Organtransplantationen, Ärzten, Juristen und Sharia-Experten überarbeitet. Es gewährt nun auch Verstorbenen registrierten Patienten auf der Organwarteliste ihre Niere, Leber, Lunge, Bauchspeicheldrüse und Herz zu spenden. Die Organtransplantation darf jedoch nur in Kliniken und Krankenhäusern durchgeführt werden, die vom Gesundheitsministerium lizensiert wurden. Das Transplantationskomitee muss aus einem Neurologen sowie zwei Ärzten bestehen. Nach Feststellung des Hirntods wird geprüft, ob eine Einwilligung des potentiellen Spenders vorliegt. Falls nichts Schriftliches hinterlegt wurde, müssen die Angehörigen nach dem mutmaßlichen Willen des Toten einer Organentnahme zustimmen. Liegt eine Einwilligung zur Organentnahme vor, werden Blutgruppe und Gewebemerkmale des Verstorbenen zuvor im Labor untersucht und geklärt, ob bei dem Verstorbenen Infektionen oder Tumorerkrankungen vorliegen. Eine Organentnahme ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn bei dem Verstorbenen eine akute Krebserkrankung oder ein positiver HIV-Befund vorliegt. Vorteilhaft ist die Gewebeübereinstimmung zwischen Spender und Empfänger, da dann das Immunsystem wahrscheinlich weniger aggressiv auf das fremde Organ reagiert. Falls es von keinen Seiten irgendwelche Bedenken oder Meinungsänderungen gibt, kann transplantiert werden.
Wenn ein gespendetes Organ vom Körper des Empfängers angenommen wurde, muss der Patient dauerhaft so genannte Immunsuppressiva einnehmen, die die körpereigene Abwehr unterdrücken, um Abstoßungsreaktionen zu unterbinden. Diese zeigen unerwünschte Nebenwirkungen. So ist beispielsweise durch die herabgesetzte Immunabwehr die Gefahr, an einer Infektion zu erkranken, deutlich erhöht. Zudem können andere Erkrankungen wie z.B. Bluthochdruck oder eine Einschränkung der Nierenfunktion ausgelöst werden. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind nötig.
Für die Betroffenen sind diese Einschränkungen jedoch nichts im Vergleich zu dem vorherigen Leid. Die transplantierten Organe sorgen insgesamt für eine verbesserte Lebensqualität. Nierenkranke brauchen keine Dialyse mehr, ehemalige Herzkranke können wieder joggen und Diabetiker mit einer neuen Bauchspeicheldrüse benötigen oft keine Insulinspritzen mehr.
Mit dem neuen Gesetz, das nun auch die Organentnahme von Toten einschließt, können in den VAE mehr Menschen Organe transplantiert bekommen. Das inkraftgegebene nationale Gebersystem ermöglicht ebenfalls, die Zusammenarbeit zwischen GCC-Ländern und anderen Völkern des Nahen Ostens, ähnlich wie bei den Geber-Systemen in Europa und Nordamerika. Auf diese Weise können sich lange Wartezeiten verkürzen und möglicherweise Hunderte von Menschenleben gerettet werden. Zudem können finanziellen Kosten für teure Maschinen oder Behandlungskosten im Ausland gesenkt werden.
Laut Dr. Arbar Khan, Leiter des Multi Organtransplantation Programms am Sheikh Khalifa Medical City (SKMC) in Abu Dhabi, kommt es bei ihnen täglich etwa zu drei Verkehrsunfällen mit Todesfolgen, d.h. mit dieser Quote könnten viele wartende Patienten mit Organen theoretisch versorgt werden. Wer als ausgebildeter Arzt, als Chemiker oder als Laborant auf dem Gebiet der Transplantationstechnik arbeiten möchte und noch auf Jobsuche ist, dem sei der Stellenmarkt von ANALYTIK NEWS empfohlen. Dort findet man eine große Jobbörse für Laborberufe im Bereich Chemie, Analytik, Medizin, Pharma und Life Science.
Die größte Herausforderung, die jetzt noch vor den Ärzten liegt, ist, Transplantationsteams zu schulen sowie die freiwillige Spendenbereitschaft in der Bevölkerung zu fördern. Geplant sind öffentliche Informationskampagnen zur Sensibilisierung für Spenden. Im Islam gibt es zwar das Konzept Sadaqa (Spende, gute Tat), aber es wird trotzdem schwierig sein, die Eltern eines toten Kindes davon zu überzeugen, die Organe zu spenden.
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