Vereinigte Arabische Emirate planen den Bau von Atomkraftwerken
von Myriam AlexowitzDas Zeitalter der Kernenergie hält nun auch Einzug im Land des Öls. In den kommenden Jahren soll der Bau für die friedliche Nutzung von Kernkraftwerken in den VAE vorangetrieben werden. Bis zum Jahr 2017 soll die erste von vier Anlagen in Betrieb gehen.
Atomkraftwerke bald auch in den VAE?
Das gestiegene Bevölkerungswachstum und der verschwenderische Lebensstil führten in den letzten Jahren zu einem erhöhten Strombedarf in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Pro Jahr steigt der Stromkonsum um 9 Prozent im Land an. Die Regierung suchte nach geeigneten „sauberen“ Energiequellen, die dem Wachstum gerecht werden können.
Bisher gewinnt das Land noch seine Energie aus Erdgas und Ölvorkommen sowie aus Kohlekraftwerken. Noch 2008 zählten die VAE laut Umweltstatistiken mit zu den größten Umweltverschmutzern in der Region aufgrund des immensen Kohlenstoffausstoßes. Etwa 32 Millionen Tonnen Ruß werden jährlich in die Umwelt des Landes abgegeben. Dem will die emiratische Regierung nun entgegenwirken. Die Stromversorgung soll zukünftig zu 25 Prozent aus Kernenergie und zu 7 Prozent aus erneuerbaren Energie wie Wind und Solarkraft erfolgen.
Die Betreiber der Emirates Nuclear Energy Corporation ENEC suchen zurzeit nach geeigneten Standorten für den Bau der vier Kernkraftwerke. Ein emiratisches Team und eine Gruppe von internationalen Experten untersuchen gerade die Umgebung unter anderem auf Erdbebengefahr und Bodenbeschaffenheit. Die Anlagen sollen möglichst weit weg von dicht bevölkerten Standorten sein, Wasserzugang für die Kühlung der Reaktoren bereithalten und in der Nachbarschaft von bereits existierenden Energieversorgungsnetzen liegen. Das Ergebnis der Studien wird zur endgültigen Entscheidung führen.
Den hochdotierten Vertrag für die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens sowie die spätere Betreuung der Anlagen unterzeichnete im Juni 2009 der damalige südkoreanische Premierminister Han Seung-soo mit Sheikh Mohammed bin Rashid, dem Vizepräsidenten und Premierminister der VAE. Ab 2017 soll das erste Kernkraftwerk in den VAE in Betrieb genommen werden, die drei weiteren Anlagen später im Jahr 2020.
Laut der emiratischen Regierung fiel die Wahl auf Südkorea, da dessen Firmen im Gegensatz zu anderen Anwerbern aus Frankreich, den USA und Japan, die Anlagen mit der gleichen Effizienz in einem weitaus kürzeren Zeitrahmen bauen könnten. Laut Han Seung-soo ist sein Land bereit, den Emiraten die friedliche Nutzung der Atomkraft sowie die Fähigkeit, sie anzuwenden, zu übermitteln. Alle zwanzig bestehenden Atomkraftwerke in Südkorea wurden mit großer Präzision in einem schnellen Zeitraum gebaut. Sie haben somit genügend Erfahrung. Koreas Fachkenntnis und Geschicklichkeit sind im Mittleren Osten wohlbekannt. Sie sind fähig, die Anlage innerhalb von 58 Monaten zu bauen und fertigzustellen.
Die Nachfrage nach qualifizierten Fachleuten, welche die Anlagen dann betreiben können, ist hoch. Gedeckt werden soll der Bedarf jedoch möglichst aus den eigenen Reihen. Die Emirates Nuclear Energy Corporation (ENEC), die das Kernenergie-Programm für das Land entwickelte, hat nun für die kommende Studentengeneration spezielle Förderungs- und Ausbildungsprogramme eingerichtet. Zu den Partnern gehören die Khalifa University of Science Technology and Research (KUSTAR), das Institute of Applied Technology (IAT) und die UAE’s Federal Authority for Nuclear Regulation (FANR). Die erste Generation von Ingenieuren, Betreibern und Technikern sollen jetzt so gut ausgebildet werden, dass sie danach selbst als Lehrer und Ausbilder für darauf folgende Generationen fungieren können. Wenn der Bau der vier Kernkraftwerke abgeschlossen ist, können bis zu 2300 Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden.
Fahd Al Qah’tani, Media Relations Manager der Emirates Nuclear Energy Corporation meint dazu: “Unser Ziel ist es, dass 60 Prozent der Erwerbstätigen Emiratis sein sollen.“ Der Sektor der Kernenergieindustrie wird nicht nur neue Arbeitsplätze, sondern langfristig auch Karrierechancen schaffen. Ab April stehen wieder Online-Bewerbungen für Stipendien der ENEC-Programme zur Verfügung. Seit dem Start der Bachelor-und Master-Stipendien im Mai 2009 wurden 40 emiratische Studenten ausgewählt, darunter sogar vier Frauen, um an der Khalifa University of Science Technology and Research in den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen Universitäten in Großbritannien, den USA und Frankreich zu studieren.
Die Anzahl von 1000 Bewerbern bei der letzten Ausschreibung übertraf bei weitem Fahd Al Qah’tani Erwartungen. 30 Prozent der Bewerber waren emiratische Frauen. Die Studenten sind sehr an dem neuen Fachgebiet interessiert und finden es aufregend, Teil dieses neuen Pioneerprojekts zu sein. Viele von ihnen sehen Kernenergie als saubere und effiziente Energieversorgung an, die Kohlenstoff-Emissionen reduziert und die VAE als Vorbild für andere nachfolgende Länder erscheinen lässt.
Was hier in den VAE noch voller Optimismus und Begeisterung klingt, stößt in vielen westlichen Ländern eher auf Unverständnis. Vor allem Umweltschützer werden sich über die mangelnde kritische Hinterfragung von Kernenergie der Emiratis wundern. Auf den ersten Blick und gemäß den Aussagen der Atomenergielobby klingt alles vollkommen sicher und harmlos.
Doch Europas jahrelange Erfahrungen mit der Nutzung von Atomenergie zeigt auch die Kehrseite der Medaille. Die Atomlobby verkauft die Atomenergie als sichere Technologie und verharmlost beispielsweise Ereignisse von Störfällen. Sie gelten als nahezu unwahrscheinlich. Fakt ist: Trotz des angeblich so hohen Sicherheitsstandards ist es in allen Ländern, die auf die Atomenergie zur Stromerzeugung setzen, wiederholt zu Störfällen gekommen. Alle derzeit laufenden Atomreaktoren weltweit haben konstruktionsbedingte Sicherheitsprobleme, die sich nicht durch Nachbesserungen beheben lassen. Nach Angaben von Greenpeace sind Auslöser dieser Störfälle u.a. Kabelbrände, geplatzte Rohre, Ventillöcher, Kühlwasserleckagen. Weltweit gab es bisher 5700 Pannen, die zu einer Atom- Katastrophe hätten führen können. Diese Unfälle offenbaren die Schwachstellen der Atomtechnik. Es ist unmöglich jede denkbare Gefahrenquelle von vornherein auszuschließen. Das Restrisiko existiert weltweit in jeder einzelnen Atomanlage.
Ein Super-GAU in einem heutigen Atomreaktor kann zur Freisetzung einer riesigen Menge an Radioaktivität führen, größer als nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl. Die Folgen wären unzählige direkt betroffene Tote sowie weiter folgende tausende Krebstote. Die Bevölkerung müsste in Gebieten von bis zu 100.000 Quadratkilometern zwangsumgesiedelt werden.
Doch nicht erst durch einen Atomunfall gefährden Atomkraftkraftwerke Mensch und Umwelt. Schon der störungsfreie Normalbetrieb geht mit erheblichen Gefahren einher. Radioaktive Stoffe zählen zu den gefährlichsten Stoffen, die in die Umwelt entlassen werden. So geben nicht nur Atomanlagen selbst über ihre Abluft und Abwasser stetig radioaktive Strahlen und Partikel ab, sondern auch Atommüll-Zwischenlager, Atommülltransporte und der Uranabbau.
Ein weiteres Problem ist das begrenzte Uranvorkommen. Allein beim Weiterbetrieb der aktuell laufenden Meiler reicht der Uranvorrat nur noch etwa 65 Jahre (Basis: Zahlen der OECD). Uran ist keine heimische Ressource, sondern muss importiert werden. Die fünf Länder, -Kanada, Australien, Russland, Kasachstan und Niger kontrollieren drei Viertel der Welturanreserven. Die wichtigsten bisherigen Absatzmärkte für Uran sind die USA, Frankreich und Japan. Zukünftig werden auch Indien und China verstärkt um den knappen Rohstoff konkurrieren. Von einer langfristigen Sicherung des Energieträgers Uran kann also keine Rede sein. Uranvorräte können einen steigenden Bedarf nicht decken. Durch diese Verknappung des Brennstoffs für Atomkraftwerke schießt der Uranpreis weiter in die Höhe.
Das gravierendste und weitreichendste Problem stellt jedoch der weltweit wachsende Berg an radioaktivem Atommüll dar. Über 400 Atomkraftwerke weltweit produzieren jedes Jahr tausende Tonnen hochradioaktiven Atommüll. In keinem Land der Erde gibt es bis heute ein Endlager für hochradioaktive Abfälle, in denen die gefährlichen Abfälle auf Dauer, das heißt für einen Zeitraum von bis zu einer Million Jahren, zuverlässig und sicher vom Naturkreislauf abgeschirmt werden können.
Das ist bis heute ein ungelöstes Problem. Ebenfalls kann kein Mensch heute voraussagen, wie die politischen und geologischen Verhältnisse auf der Welt in 500, geschweige denn in Tausenden von Jahren sein werden. Atommüll bleibt eine tickende Zeitbombe. Die Produktion von Atommüll ist unverantwortlich, da wir unseren nachfolgenden Generationen ein gefährlich strahlendes Erbe hinterlassen.
Kommentare
1. Oliver schrieb am 11. Juni 2010 um 15:27 Uhr:
Ich habe immer den Eindruck die Regierung der VAE denkt nicht an das Morgen! Ich selbst bin kein Atomkraftgegner doch wenn es alternativen gibt, sollten diese genutzt werden!
Auf Dauer lässt sich der Energiebedarf der VAE nicht mit konventionellen Mitteln decken -allein dieses Projekt “Olympische Winterspiele” würde den Energieverbrauch einer Großstadt vorweisen-
und jedes Barrel verbranntes Öl sind 50-130$ die der Staatskasse fehlen.
Kein Land der Erde hat bessere Voraussetzungen für die Nutzung der Sonne - sicher die Sonne scheint überall auf diesem Breitengrad aber nur die VAE haben auch das Kapital die Sonne im großen Stil zu nutzen.
Ich rede hier nicht nur von Photovoltaikanlagen sondern auch von anderen Sonnenkraftwerken. Photovoltaik ist selbstverständlich die einfachste Möglichkeit die Sonne direkt zu nutzen. Licht wird direkt in Strom gewandelt und da dies am Tag geschieht, harmoniert es perfekt mit den Verbrauchsspitzen. Leider verlieren Solarpanels mit der Zeit ihre Leistung und sind sehr teuer.
Ein gute alternative sind Solarthermie Kraftwerke. Sie bündeln die Sonnenstrahlen mit Parabolspiegeln und erhitzen Wasser auf unglaubliche Temperaturen. Mit Hochdruck treibt dann Dampf wie in jedem anderen Kraftwerk Turbinen an. Das ist “billig” und effizient.
Die VAE könnten es sich problemlos leisten den Anteil der Solarenergie auf 30% auszubauen. Gäbe es wenigstens einheitliche Gesetze, die besagen, jedes Flachdach ab z.B. 50m² sei mit Solaranlagen zu bestücken, wäre schon ein großer Schritt getan. In effizient gedämmten Gebäuden sollte die Ausbeute durch Solaranlagen ausreichen um die Klimaanlage zu betreiben - was ja ein gewaltiger Posten in der Energiebilanz ist.
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